Freitag, 28. März 2025

Tag 24: Grenzgängertum per Riesentorlauf

Maria Bild - Kalch
(27,6 km - 460 Hm auf - 530 Hm ab)

Die Wetterprognose für heute ist im Tagesverlauf durchwachsen.

Als ich schwungvoll (soweit einem Kai möglich ;-) aus der Tür des Gasthauses trete, um los zu marschieren, empfängt mich bereits Sprühregen :-o

SO war das aber nicht angekündigt !

Schnell zurück, Regenhose anziehen und Wanderschirm aufspannen.

Dann gehe ich gleich mal 15 Meter in die falsche Richtung, aber ein kurzer Blick auf's GPS, eine 180° Kehrtwende und einige aus dem Stand bereits schweißtreibende Meter später, stehe ich oben an/hinter der Wallfahrtskirche Maria Bild und bin zurück in der Spur: 

Aber JETZT geht's bergab.

Erst durch den Wald, später an der Straße entlang und durch den Ort Weichselbaum, dort wird die Bundesstraße und kurz danach die Zuglinie überschritten.

Die ungarische Grenze ist in diese südliche Richtung nicht mehr weit, aber ich muß erstmal an der Bahn entlang über einen Schotterweg gen Westen.

Später geht es dann auf der Straße über die Raab und durch kleinere Orte.

Manchmal kürze ich allerdings durch den Wald ab, denn der Ober-Guru der Weitwanderer hatte mir gestern sowieso empfohlen, heute etwas flexibler bei der Auslegung der Wanderroute zu sein, weil es da schöne(re) Varianten direkt an der Grenze gäbe.

Wo ich mich doch sonst bestimmt immer absolut "vorschriftsmäßig" verhalte, siehe Nord-Süd-Weitwanderweg 2025, Tag 02.

Aber "Hexenweg" klingt auch einfach zu verlockend !

Der eine Weiler oder das andere Örtchen wird noch passiert und ich habe mittlerweile schon ganz gut an Höhe gewonnen.

Zuweilen zieren etwas skurile Dinge die (Vor-)Gärten... 

Oder auch - zumindest für die Gegend, wie mir scheint - untypische Bausubstanz steht am Weg:

Letztlich besetze ich ein Buswartehäuschen (da ist es trocken) für meine Mittagsrast, bevor ich mit dem Schirm weiterspaziere.

Eigentlich ist das ja ein Rucksackschirm, damit man die Hände beim Wandern und für die Stöcke frei hat, allerdings kann sich die Konstruktion auch der Hebelgesetze und einiger weiterer suboptimal wirkender, physischer Gesetzmäßigkeiten nicht entziehen, so daß ich heute - ob des leichten Terrains - nur mit einem Wanderstock und dem Schirm in der Hand gehe.

Und als nächstes gleich mal wieder Weg vom 07er und ab in die Pampa:


Der Weg durch den Wald ist klasse und natürlich 1.000 Mal angenehmer als Straße !

Die Markierungen bzw. Wegweise sind auch passend und der Weg wechselt auch später immer mal wieder hinüber nach Ungarn.

An einer Stelle steht noch ein alter Wachturm aus Zeiten des kalten Krieges mit einigen Infotafeln.

Heute sieht das natürlich sinnlos aus, da die Bäume außenherum deutlich höher als der Beobachtungsposten gewachsen sind:

Der Weg wird immer traumhafter, obwohl es ja noch nichtmal Frühling ist.

Heute nur ein Wanderstock, weil Weg so einfach ist ?

Da habe ich wohl zu laut gedacht:

Auf der Brück bräuchte man eigentlich Grödeln oder besser 10-zackige Steigeisen, um nicht zu rutschen und danach durch den Gatasch steil bergan (ein Schritt vor, einen halben zurückrutschen) wären sie auch nicht verkehrt.

Aber irgendwie komme ich ohne durchdrehende Räder nach oben und grüße mir plötzlich entgegenkommende Wanderer übertrieben nett, denn abwärts möchte ich da gerade nicht unbedingt gehen ;-)

Weiter geht's zum Dreiländereck Ungarn-Slowenien-Österreich:

Im Nieselregen wirkt der Ort recht trostlos, obwohl er auch eine Geschichte hat, die mit dem GEMEINSAMEN Bau des Gedenksteins einen würdigen Schlußpunkt hat.

Der Kiosk ist ob des Sauwetters nicht bewirtschaftet, aber ich finde ein trockenes Plätzchen für einen Riegel für zwischendurch.

Ich spaziere weiter und wundere mich mehr und mehr über die Grenzsteinkonstruktion:

Ich kann doch nicht dauernd orthogonal durch über die Grenze gehen, insbesondere, da deren Verlauf ja eigentlich längs zum Weg sein müßte.

So untersuche ich dieses Phänomen etwas genauer und bin bass erstaunt: Das sind quasi GrenzdeterminierungsTORE. Ich bin auf einem riesigen Riesentorlaufparkour unterwegs !

Auf den immer paarig angebrachten Steinen steht jeweils ein Offset, z.B. 0,8 und 2,4 was bedeutet, daß die Steine 3,2 Meter auseinander sind und die Grenze im Weg/der Straße eben jeweils an der angegebenen Entfernung vom jeweiligen Stein liegt.

Auf dem WWW07 bin ich zwischenzeitlich auch längst zurück.

Das mit der Grenze ist hier schon echt schräg - teils im wahrsten Sinne des Wortes: Hier geht sie schräg über die Straße und teilt den Ort...

Gleichzeitig stehe ich hier an einer entscheidenden Stelle, die - was ich zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht weiß - größere Konsequenzen haben wird.

Die Gretchenfrage ist wie so oft bei schlechtem Wetter auf Tour: Schön im Gasthaus einkehren, Aufwärmen, etwas warmes Essen/Trinken (könnte einem am Gleinalm-"Schutz"haus ja nicht passieren - siehe in die Zukunft blickend Nord-Süd-Weitwanderweg 05, 2025: Tag 15) und dann wieder zurück in die Nässe.

In der Regel entscheide ich mich da immer dagegen, was nicht immer so horrende Folgen hat (und tödlich hätte enden können) wie bei Graz-Monaco, 2014: Tag 060. Heute die übliche Wahl: Nope.

Und es wird eine gute gewesen sein !

Ich gehe ein Stück weiter und nach Querung der Bundesstraße per Brücke der Nebenstraße werde ich ob des Verkehrs unter mir daran erinnert: So langsam sollte ich mich mal um das BAST kümmern. Das Burgenland-Anruf-Sammel-Taxi verkehrt auf Buslinien, wenn diese an dem Tag gar nicht bedient werden bzw. der zeitliche Abstand zu einer Linienfahrt ausreichend groß ist. Es ist eine MINDESTvorlaufzeit von 60 Minuten einzuhalten. Man kann das nur über eine zentrale Hotline anfragen und die Möglichkeit hängt auch von Kapazitäten ab.

Also im halben Schutze eines Dachüberstandes (zu klein) eines Schuppens mal das Telefon herausgesucht und durchgeklingelt. Die Ergebnisse waren allerdings enttäuschend bis ernüchternd: Ob heute ÜBERHAUPT noch eine Fahrt von Kalch zurück nach Jennersdorf möglich ist, sei unklar und aktuell nicht bestimmbar.

Hä ? - Also entweder gibt es für den Nachmittag- bis Abendverlauf noch Kapazitäten oder nicht. Ja oder nein. Schwarz oder weiß. 0 oder 1. Einen Zusammenhang zu Schrödingers Katze kann ich beim BESTEN Willen mir nicht annähernd auch nur illusionär ausdenken, geschweige denn mir die Dame am Telefon irgendwie erläutern.

Nun gut, auf Wiedersehen !

Es gibt noch einen letzten Bus am heutigen Freitag. Also eigentlich den einzigen nach dem vom Morgen.

Allerdings müßte ich zum Erreichen für die restliche Wegstrecke laut GPS einen Schnitt von über 6 km/h gehen und noch einige Aufstiegsmeter überwinden.

Das klingt ziemlich unmöglich :-o

Egal, erstmal ab wie die Feuerwehr und dann im stürmischen Schritt weitere Maßnahmen planen, angehen, umsetzen...

Aha: Wenn ich ein Stück länger Straße gehe, spare ich mir ein Stück Umweg und vor allen Dingen alle weiteren Anstiege.

Skurilerweise sehe ich unterwegs sogar noch eines dieser BAST-Fahrzeuge - allerdings dürfen die ungeplant sowieso keine Fahrgäste (mit) aufnehmen.

Das ziehe ich jetzt durch !

Über die Straße eile ich wirklich (@Volker: hier waren evtl. wirklich die Sieben-Meilen-Stiefel im Einsatz) mit einem Schnitt von 6 km/h zum Feuerwehrhaus nach Kalch, wo ich dann noch 15 Minuten Zeit habe, bis der Bus kommt.

Wo ein Wille, da ein Weg :-)

Im Bus zurück nach Jennersdorf bin ich der einzige Fahrgast und der Fahrer ist begeistert: Ein Wanderer !

Ich bekomme erstmal sein Handy, um mir Fotos von seiner Fahrradtour am Camino anzusehen. Er schwärmt davon und will dort nochmal zu Fuß mit dem Sohn gehen, wenn dieser groß genug dafür ist (und Lust hat).

Der Fahrer hat viele Jahre in Deutschland gelebt und in der Corona-Zeit hat er für 30.000 EUR ein Haus in Ungarn gekauft, von wo er jetzt immer 40 bzw. 60 Kilometer herüber ins Burgenland zu seinen Einsatzorten pendelt. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist in dieser Konstellation für ihn und seine Familie natürlich perfekt. 

Wir verbringen eine sehr kurzweilige Fahrt miteinander und an der Endstation Jennersdorf, Bahnhof verabschiedet er mich nicht nur mit einem "Buen Camino" (Gute Reise/Guten Weg), sondern beschenkt mich auch noch mit Proviant ! - Die Fischdose werde ich mir als Abendessen mit den restlichen Krümmeln meines Vollkornbrots gönnen. Vergelt's Gott ! - Manchmal ist die Welt einfach nur gut zu einem...

Im Nachhinein muß ich sagen, dies war heute der schönste Regentag, den ich jemals hatte :-)


Begegnungen:

- 3 Rehe

- 1 Grünspecht

- 1 Buntspecht

- 2 Rehe

- 1 Hase

- 2 Mädels unterhalb des Dreiländersteins

- 1 ungarisches Ehepaar nach dem Dreiländerstein

- 5 Rehe

- netter Busfahrer mit Camino-Erfahrung


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