Samstag, 4. Mai 2024

Tag 08: Masochistisch veranlagt und lebensmüde ?

Retz - Mailberg
(28,8 km - 410 Hm auf - 440 Hm ab)

Nach dem Regen auf den letzten drei Kilometern am gestrigen Nachmittag lacht heute wieder die Sonne vom Himmel, als ich am Hauptplatz in Retz starte.

Der Maibaum steht hier auch noch: Wie man aus der Zeitung erfahren konnte, waren im benachbarten Waldviertel am Vortag sturmbedingt ein Dutzend Maibäume abgebrochen, umgefallen oder in Noteinsätzen von der Feuerwehr umgesägt worden, die sie erst aufgestellt hatten. Gott sei Dank wurde niemand verletzt und die Schäden hielten sich iun Grenzen.

Was mir hier in der Gegend heute extrem auffällt sind überall an den Häusern 1.-Mai-Widmungs-Schilder/-Plaketten zur Huldigung von Helden der (ehrenamtlichen) Arbeit/Funktion:

Frage an die Österreicher unter uns:

Ist das etwas nationales, regionales oder lokales ?

Nachdem ich noch eine Ortschaft südlich von Retz hinter mir gelassen habe, geht es raus/rein ins Grüne.

Die Menge an Tieren, die ich heute zu Gesicht bekomme, könnte fast der Gesamtsumme der bisherigen Wanderung entsprechen (siehe Begegnungen unten) !

Am Ende dieses Hohlwegs werde ich von einer Art Bodenmine nahezu zu Tode erschrocken !

Alarmstart eines ausgewachsenen Fasans ca. 0,5 Meter neben mir, als ich das Versteck gerade passiert hatte !!

Mann, Mann, Mann, mein HERZ !!! - Ähnliches werde ich heute noch öfter erleben (und erinnert an Tag 10/2017)...

Aus Prinzip habe ich dann abends mal vegetarisch gegessen ;-)

Über einige Weinbauhügel führt heute der Weg und auffällig (siehe linkerhand) sind hier die steilen Erdwände aus Lös und mit Glimmer versetzt, was einerseits hält und auch bei Regen nicht einfach abrutscht/ausgewaschen wird und andererseits wohl sehr gut für den Wuchs und den Geschmack des Weins ist.

Vom Hutberg geht es dann hinab auf das Weinörtchen Haugsdorf, mit fast 150 Weinbaubetrieben, die jährlich ca. 2,5 Millionen Liter Wein produzieren: 60% dunkel/40% hell.

Die sog. (große) Kellertrift ist bergab beiderseits gesäumt von weit über 50 Häuschen, wo jeweils dahinter/darunter Weinkeller in den Erdboden getrieben sind:

Nachdem das breite Tal kurz hinter Alberndorf durchschritten ist, geht es wieder bergauf, erst durch Weingärten und dann durch den Locatelliwald.

Über einen Höhenzug spaziere ich - bei herrlichstem Wetter - durch die Felder und scheuche die letzten Häschen für heute auf.

Nach der Querung der Straße Immendorf - Hadres kann ich allerdings nurmehr hadern: Der Hohlweg ist über hunderte Meter total zugewachsen.

Da wird man an den freiligenden Beinen, Armen und im Gesicht gepeitscht, zerkratzt und teilweise bleibt man an starken bzw. Dornen-bespickten Ästen komplett stecken/hängen.

*argh* 

Da kann man beim Erreichen des fast vier Meter hohen Zauns mit den Stahlverstärkungen oben erstmal nur drei Kreuze machen.

Wären da nicht diese Erinnerungen...

Jurassic Park: Vergessene Welt !

Seit längerer Zeit habe ich außer Urwald und Tieren hier in der Einsamkeit nichts mehr gehört oder gesehen. Und (m)eine Machete vermißt.

Jetzt stehe ich völlig unvermittelt an einem extrem hohen und mit den Stahlseilen oben (waren die mal unter Strom gesetzt ?) bestimmt nicht nur für Dammwild gemachten Zaun. Er sieht schon in die Jahre gekommen aus. Die aus unbehandelten Ästen notdürftig zusammengezimmerte Überstiegshilfe sieht auch schon ziemlich mitgenommen und nur noch bedingt vertrauenserweckend aus.

Es läuft mir kalt den Rücken hinab !

Aber letztlich wage ich - unter akrobatischer Auslassung der wackligen/morschen Stufen - den Überstieg.

Dann bin ich schon drin. Im Gefängnis. Überall kann ich die Spuren von Bewohner bzw. ihren Aktivitäten ausmachen.

Nein, dies ist ganz bestimmt KEIN normaler Wald !

Ich schleiche mich voran.

Und dann entdeckt mich eine Horde von Häschern doch: 

Leibhaftige Sus scrofa aus der Ordnung der Artiodactyla ! Allesfresser !!

ACHT Stück, mittelgroß, tarnanstrich, auf 01:00 Uhr, Distanz ca. 15-20 Meter.

Ich bin etwas unentschlossen, aber wie später in einem Telefonat Überlebenden von koriphären Kennern bescheinigt werden wird, könnten die meinen Hunger am späten Nachmittag gewittert haben, sich nicht ganz sicher gewesen sein, ob ich nicht doch noch Zaubertrank in meiner Flasche habe (oder einen Obelix im Geleit), und deswegen den Rückzug angetreten haben.

Ich bin jedenfalls froh, mit meinem letzten bißchen Leben, über den Ausstieg den blutrünstigen Bestien gerade nochmal entronnen zu sein.

Heute ist es wieder deutlich wärmer, wie man unschwer auch an den 6 oder 9 Schafen ablesen kann, die sich da verkrochen haben:

In Mailberg wird dann die Lebensweisheit "auf jeden Topf paßt ein Deckel" etwas verzerrt...

So viele Topfdeckel wie dort hängen, da bleibt sicher nicht mehr für alle (armen) T(r)öpfe einer über !

Kurz danach erreiche ich meine mondäne Unterkunft für heute: Das Schloß Mailberg...

Übrigens hat der Ort Mailberg mutmaßlich nichts mit sonst üblichen Mail-Bergen zu tun !

Beim Abendessen im Burghof sitzt dann noch ein wahrer 05er-Veteran am Nachbartisch: Als 16-Jähriger ist er vom Nebelstein aus den Nord-Süd-Weitwanderweg gegangen. "Das muß mehr als 50 Jahre her sein", zu einer Zeit als es erst einen Nord-Süd- (WWW05: 1970) und einen Ost-West-Weitwanderweg nach Bregenz (mutmaßlich WWW01: 1975) der (heute) großen zehn gab.


Begegnungen:

- 1 Greifvogel

- 2 Rehe

- 2 × 2 Hasen

- 1 Fasan

- 7 Rehe + 1 Hase

- 1 Fasan

- 2 Hasen

- 1 Rennradfernradler (geb. Tscheche)

- 1 Fasan (m, groß)

- 1 Fasan (w, klein)

- 1 Milan

- 1 Buntspecht

- 1 Schwarzspecht

- 1 Hase

- 8 mittelgroße Wildschweine auf 01:00 Uhr, 20 Meter

- 1 Fasan

- 1 Nord-Süd-Weitwanderwegs-Veteran